Webinar Scheinselbstständigkeit – Fragen und Antworten

Am 18. und 19. November fanden unsere Webinare zum Thema Scheinselbstständigkeit für Unternehmen und Freelancer statt. Zu Gast waren die Experten Thomas Maas, CEO freelancermap und Fachanwalt Robert Gollwitzer, der sich seit 2017 auf diese Thematik spezialisiert hat. Im Anschluss an die rechtlichen Grundlagen, Folgen für beide Vertragsparteien und einige Inhalte mehr, konnten die Teilnehmer zahlreiche Fragen stellen. Die beliebtesten Fragen und die Antworten des Fachanwalts darauf, haben wir in diesem Beitrag zusammengefasst.
Fragen aus dem Webinar für Unternehmen
Welche Änderungen in Sachen Scheinselbstständigkeit werden 2025 auf uns zukommen?
Eine wesentliche Änderung ist, dass die Beitragsbemessungsgrenzen in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung steigen werden. In der gesetzlichen Krankenversicherung steigt die Grenze von 5.175 Euro auf 5.512,50 Euro monatlich bzw. von 62.100 Euro auf 66.150 Euro jährlich. Auch in der Rentenversicherung steigen die Beitragsbemessungsgrenzen ab Januar 2025 auf 8.050 Euro monatlich. Dadurch steigen bei einer festgestellten Scheinselbstständigkeit die nachträglich zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge und die ggf. zu zahlenden Säumniszuschläge.

Hinsichtlich der Gesetzgebung werden wohl keine großen Änderungen kommen, obwohl die FDP das Thema auf der Agenda hatte. Während sich die aktuelle Regierung nicht mehr darum kümmern wird, ist eine Tendenz des Bundessozialgerichts zu erkennen. In den letzten Jahren hatte das BSG einige Urteile im ärztlichen / gesundheitlichen Bereich gefällt. Hier heißt es abwarten.
Macht es einen Unterschied bei der Bewertung von Scheinselbstständigkeit, ob man einen Dienst- oder einen Werkvertrag nutzt?
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Im Hinblick auf das Risiko einer Scheinselbstständigkeit ist ein Werkvertrag günstiger. Aufgrund der Tatsache, dass ein Werk, d.h. ein Ergebnis, geschuldet ist, das im Vertrag definiert ist und vom Freelancer erstellt werden soll, kann man diese Leistungen klarer und nachvollziehbarer von der Tätigkeit der internen Mitarbeiter des Auftraggeber-Unternehmens abgrenzen. Zum Beispiel kann man hier auch eine werksbezogene Vergütung aushandeln, etwa für eine zu programmierende Software, anstelle eines Stundensatzes. Dieser ist in den Augen der Deutschen Rentenversicherung oft ein Argument für eine abhängige Beschäftigung.
Der Dienstvertrag ist hingegen auf eine Tätigkeit bezogen, die oft nicht auf ein bestimmtes Werk gerichtet ist und entsprechend nach Stunden abgerechnet wird. Auch, wenn der Werkvertrag nach Möglichkeit zu bevorzugen ist, kann man bei beiden Vertragsformen in die Scheinselbstständigkeit tappen. Solange bei der Ausgestaltung darauf geachtet wird, dass die Merkmale einer Selbstständigkeit im Vordergrund stehen und keine Anzeichen für eine Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in die Organisation des Auftraggebers bestehen, ist es egal, welche Vertragsform genutzt wird.
Betrifft das Scheinselbstständigkeitsthema auch Freiberufler aus dem EU-Ausland, die gerne remote und teilweise vor Ort für Projekte in Deutschland arbeiten?
Wenn Auftraggeber Freelancer aus dem EU-Ausland und z. B. der Schweiz beauftragen, sollten sie sich eine sogenannte A1-Bescheinigung geben lassen. So kann der Deutschen Rentenversicherung nachgewiesen werden, dass der Freiberufler nicht dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt.
Bei jedem Auftragsverhältnis geht es um die Frage: Wo wird der Auftragnehmer tätig? Günstig ist, wenn der Freelancer aus dem EU-Ausland auch nur außerhalb Deutschlands tätig wird. Ist er jedoch in Deutschland anwesend, etwa, weil die Tätigkeit vor Ort ausgeübt werden soll bzw. muss, liegen Anknüpfungspunkte für das deutsche Sozialversicherungsrecht vor. Im Zweifel muss man sich den Fall gesondert anschauen und einzeln prüfen.
Kann ein Freelancer das Risiko auf Scheinselbstständigkeit minimieren, wenn er ein Unternehmen gründet und sich selbst als Geschäftsführer einstellt?
Bis 2023 war die Beauftragung einer 1-Mann-GmbH eine gerne herangezogene und häufig bestätigte Absicherung, um eine Scheinselbstständigkeit auszuschließen. Damals hieß es noch, dass eine juristische Person nicht scheinselbstständig bzw. abhängig beschäftigt sein kann. Jüngst hat das Bundessozialgericht diese Auffassung in drei Urteilen gekippt:
Auftraggeber müssen bei der Beauftragung von 1-Mann-GmbHs genauso hinschauen, wie bei anderen Einzelunternehmern auch. Es muss immer auf die Vermeidung einer Weisungsgebundenheit und einer Eingliederung geachtet werden.

In unserem Whitepaper „Risiko Scheinselbstständigkeit – Schritt für Schritt zu mehr Rechtssicherheit in der Zusammenarbeit mit Freelancern“ gehen wir detailliert auf einzelne Kriterien, Folgen und mehr ein.
Wie kritisch ist es, wenn Freelancer das Auftraggeber-Unternehmen bei LinkedIn oder anderen sozialen Netzwerken irrtümlich als Arbeitgeber angeben?
In der Praxis könnte sich die Deutsche Rentenversicherung auch die Profile eines Freelancers auf Social-Media-Kanälen ansehen und in einem solchen Fall davon ausgehen, dass sich der angeblich Selbstständige doch selbst als abhängig Beschäftigter sieht.
Aus diesem Grund muss im Auftragsverhältnis – auch vorher – auf diverse Formulierungen besonders geachtet werden, die Auftraggebern im Rahmen der Prüfung auf die Füße fallen könnten. Zum Beispiel, ob der Freelancer als „Kollege“ bezeichnet wird oder ob man sagt und schreibt, dass man einen Selbstständigen „einstellt“. Die reine Wortwahl muss zwar nicht den Ausschlag geben, wird aber von der DRV und den Gerichten gerne genutzt, um das unerwünschte Ergebnis zu zementieren.

Achten Sie darauf, wie Sie als Auftraggeber bezeichnet werden. Achten Sie auch darauf, wenn Sie als Referenz genannt werden – dann sind Sie bitte nicht die einzige Referenz, sondern dann sind Sie eine Referenz von mehreren.
Robert GollwitzerFachanwalt bei Link Siry Rechtsanwälte
Wir sind ein Vermittlungsunternehmen. Freelancer stellen uns eine Rechnung, arbeiten allerdings für unsere Kunden. Inwieweit stehen wir als Unternehmen in der Haftung bei einem Verstoß?
Im April 2022 wurde § 7a SGB IV reformiert. Darin wurde unter anderem aufgenommen: Wenn Anzeichen der Weisungsgebundenheit und der organisatorischen Eingliederung gegenüber einem Dritten gegeben sind, kann die DRV feststellen, dass eine abhängige Beschäftigung zum Dritten, das heißt z. B. dem Endkunden besteht.
Die Deutsche Rentenversicherung hat zwei Möglichkeiten, auf wen sie zugreifen möchte (Vermittler oder Endkunde). Bei einer Betriebsprüfung könnte die DRV z. B. argumentieren, dass das Weisungsrecht im Vermittlungsvertrag begründet und schließlich auf den Endkunden übertragen wurde.
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Wenn der Freelancer mehrere Projekte parallel mit flexiblen Tätigkeitszeiten laufen hat, wird das Problem dann irgendwie gelöst?
Wenn Freelancer zu selbst gewählten Zeiten tätig werden, ist das nicht nur gut, sondern auch notwendig. Freelancer müssen arbeiten können, wann sie wollen. Hat ein Freelancer zum Beispiel – von sich aus – dokumentiert, dass er am Sonntag und am Feiertag, also außerhalb der Betriebszeiten, gearbeitet hat, ist das ein positives Indiz in Richtung der Selbstständigkeit.
Aufgrund der Natur der Aufgabe gibt es fest vorgegebenen Tätigkeitszeiten, aufgrund von Servicezeiten zum Beispiel. Wie kann ich damit umgehen?
In Vorbereitung auf eine Statusprüfung müsste man in einem solchen Fall herausarbeiten, wo die relevanten Erforderlichkeiten liegen und diese dokumentieren. Ziel ist es, zu belegen, dass zwingende Erforderlichkeiten die entsprechenden Tätigkeitszeiten begründen und nicht etwa die Weisungsbefugnis des Auftraggebers. Allerdings wird die DRV auch in einem solchen Fall argumentieren, dass sich aus den zwingenden Zeiten der Tätigkeit eine organisatorische Eingliederung ergibt.
Wie kann man in der Steuerbranche mit Freelancern zusammenarbeiten, ohne die Problematik mit der Scheinselbstständigkeit zu haben?
Wichtig ist in erster Linie, dass der Freelancer eigenständig ist und beispielsweise eine eigene Kanzlei betreibt und hier selbst Arbeitsmittel, etwa ein Steuerprogramm, unterhält. Er sollte zudem selbst haften und nicht wie ein angestellter Steuerberater eingeschränkt haftbar sein. Dazu gehört auch eine eigene Berufshaftpflichtversicherung.
Im Grunde sollte der Freelancer als selbstständiger Steuerberater auftreten, der als Subunternehmer des Auftraggebers agiert.
Wie verhält es sich, wenn man als Steuerberater zusätzlich zu den eigenen Steuerfachangestellten Externe einsetzen will?
Bei einer Prüfung sieht sich die Deutsche Rentenversicherung genau an: Wird das, was extern gemacht werden soll, bereits intern gemacht? Lautet die Antwort ja, wird die DRV das als Argument für eine abhängige Beschäftigung heranziehen. Wichtig ist also, dass man Unterschiede zwischen den Tätigkeitsbereichen von Freelancern und Festangestellten herausarbeitet.
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Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass man sich externes Know-how, das in der Kanzlei nicht vorhanden ist, zukauft. Zum Beispiel hinsichtlich spezieller Abrechnungsthemen. In unserer Beratung arbeiten wir heraus, ob solche Unterschiede gegeben sind oder nicht.
Sollte ein Freiberufler seine eigenen Arbeitsmittel verwenden, oder können ohne Bedenken Laptop, Handy, Software, E-Mail-Account, etc. dafür die Dauer des Projektes überlassen werden?
Die Deutsche Rentenversicherung guckt unter anderem auf die Betriebsmittel und hier gilt: Selbständige Unternehmer nutzen ihre eigenen Betriebsmittel. Wenn es aus Datenschutz- und IT-Sicherheitsgründen zwingend erforderlich ist, kann dem Freelancer im Einzelfall ein Laptop gestellt werden. Reine Bequemlichkeit begründet aber keine zwingende Erforderlichkeit – das lässt sich vor der DRV nicht verargumentieren.
Günstig ist auch im Falle der zwingenden Erforderlichkeit, vom Freelancer eine Miete für den Laptop zu verlangen. So stellen Auftraggeber dem Auftragnehmer Betriebsmittel nicht kostenlos zur Verfügung, wie es bei einer abhängigen Beschäftigung der Fall wäre.
Beim Firmenhandy ist besondere Vorsicht geboten, denn es gibt eigentlich keinen tragfähigen Grund, warum der nicht sein eigenes Handy und seine eigene Telefonnummer nutzen sollte. Ein gutes Beispiel ist der beauftragte Maler, dem der Auftraggeber weder Farbe noch Pinsel für seine Arbeit zur Verfügung stellt.
Vermittler, versprechen teilweise, Freelancer rechtskonform zu vermitteln. Gibt es eine hundertprozentige Möglichkeit, rechtliche Sicherheit zu gewährleisten?
Bei solchen Werbeversprechen ist besondere Vorsicht geboten. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie sich das Risiko der Scheinselbstständigkeit vollständig reduzieren lässt. Entweder, indem der Auftraggeber den Freelancer nicht als Selbständigen beauftragt, sondern ihn sozialversicherungspflichtig beschäftigt und dadurch Beiträge abführt.
Eine andere Lösung ist die Arbeitnehmerüberlassung. Hierbei wird der Freelancer bei einem Vermittler mit entsprechender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis eingestellt und dem Auftraggeber als Leiharbeitnehmer überlassen. In beiden Fällen werden Sozialversicherungsbeiträge gezahlt und das Problem ist gelöst. Allerdings sind diese Optionen oft nicht das, was Auftraggeber und vor allem auch Freelancer eigentlich wollen.
Ist es problematisch, wenn Freelancer nur einen Auftraggeber haben?
Wenn ein Freelancer über einen längeren Zeitraum nur einen Auftraggeber hat, fehlt das belastbare unternehmerische Auftreten am Markt. Und das ist ein Indiz für eine Scheinselbständigkeit. Andererseits schützen mehrere Auftraggeber nicht vor dem Risiko der Scheinselbstständigkeit.
Jedenfalls ab einer Dauer von einem Jahr, in dem es nur einen Auftraggeber gibt, sollte man sich die Beauftragung näher ansehen. Empfehlenswert sind deshalb Verträge mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr. Das erlaubt beiden Seiten, nach einem Jahr die Beauftragung neu zu bewerten und gegebenenfalls auch neu zu verhandeln.
Schützt ein Brückenkopf-Modell vor Scheinselbstständigkeit? Hierbei kommuniziert der Freelancer nicht direkt mit dem Kunden, sondern z. B. über eine Unternehmensberatung.
Das Stichwort lautet hier “Single Point of Contact”. Und dieser ist im Idealfall Angehöriger des Auftraggeber-Unternehmens. Dabei braucht es keinen zwischengeschalteten Vermittler, wie beispielsweise eine Unternehmensberatung. Wenn der Freelancer Kontakt nur zu einer internen Person hat, kann gut argumentiert werden, dass er gerade nicht in die Organisation eingegliedert ist – das ist es, wo wir hin wollen.
Sprechen wir auch von Scheinselbstständigkeit, wenn die Verträge halbjährlich oder quartalsweise verlängert werden?
Eine kurze Beauftragungsdauer ist vorteilhaft, da sich Wechsel der Auftraggeber ergeben. Wird das Vertragsverhältnis über längere Zeit immer wieder verlängert, argumentiert die DRV auch gerne, dass eine dauerhafte Beauftragung vorliegt. Da man bei jedem Auftrag das Gesamtbild betrachten muss und hier auch die Frage der Weisungsgebundenheit und der organisatorischen Eingliederung, wird es an diesem einen Merkmal nicht scheitern, wenn alle anderen Faktoren für eine selbständige Tätigkeit sprechen.
Wie sehr schützt es, wenn der Freelancer eigene sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter beschäftigt?
Werden für die eigene Mitarbeiter Sozialversicherungsbeiträge abgeführt oder werden zwei Minijobber beschäftigt, deren Lohn zusammengenommen die Grenze der Entgeltgeringfügigkeit überschreitet, ist das ein sehr gewichtiger positiver Umstand. Denn man sagt: Wer selbst Sozialversicherungsbeiträge abführt, kann nicht selbst beitragspflichtig abhängig beschäftigt sein. Noch besser ist, wenn die Beschäftigten beim Auftrag unterstützen bzw. dem Freelancer zuarbeiten. Auch dieses Einzelmerkmal ist aber kein rechtssicheres Allheilmittel.
Wäre das Thema Scheinselbstständigkeit vom Tisch, wenn ein Freelancer verpflichtend einen bestimmten Prozentsatz seines monatlichen Umsatzes als Altersvorsorge an die DRV abführt?
Diese Frage geht in die Richtung der Positivkriterien, die immer wieder gefordert werden. Wenn alle verpflichtend in die Deutsche Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Co. einzahlen würden, egal ob selbstständig oder nicht, hätten wir das Problem der Scheinselbstständigkeit nicht mehr. Diese Situation haben wir nicht und in der aktuellen Legislaturperiode wird das auch nicht mehr kommen.
Ist der Stunden- oder Tagessatz ein Indikator für oder gegen Scheinselbstständigkeit?
Ein Einzelmerkmal ist die Höhe der Vergütung, die bei Freelancern deutlich höher ausfallen sollte als bei Angestellten. Wenn durch einen im Vergleich zu Arbeitnehmern deutlich höheren Stunden- oder Tagessatz eine eigene Vorsorge des Freelancers ermöglicht wird, ist das ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit. Allerdings handelt es sich hierbei nur um ein Merkmal von vielen im Mosaik der Gesamtbetrachtung, die wir für eine Beurteilung brauchen.
Fragen aus dem Webinar für Freelancer
Kann der Vorwurf der Scheinselbstständigkeit immer nur über eine Betriebsprüfung meiner Auftraggeber aufkommen?
Wenn die Deutsche Rentenversicherung auf Freelancer aufmerksam wird, geschieht das in den meisten Fällen durch eine Betriebsprüfung bei einem ihrer Auftraggeber. Gibt es Auffälligkeiten, werden ggf. weitere Auftragsverhältnisse des Freelancers ebenfalls geprüft. Eine weitere Möglichkeit ist, dass der Auftraggeber ein sogenanntes freiwilliges Statusfeststellungsverfahren beantragt und dadurch Freelancer in das Visier der DRV geraten.
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Über welchen Zeitraum spielt die Anzahl der Auftraggeber eine Rolle? Sind z. B. zehn Kunden über zehn Jahre ausreichend oder wird jedes Jahr für sich betrachtet?
Laut § 2 Abs. 9 SGB VI sind Selbstständige selbst rentenversicherungspflichtig, die “auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (…)”. Wann die Deutsche Rentenversicherung von einer dauerhaften Tätigkeit für einen Auftraggeber ausgeht, ist mitunter ein wenig unterschiedlich. Wir raten deshalb in der Praxis zu Jahresverträgen. Diese lassen sich bei Bedarf verlängern.

Hat man in zehn Jahren zehn Auftraggeber, kann man nicht automatisch von einer Tätigkeit auf Dauer nur für einen Aufraggeber sprechen – allerdings muss man sich hier einmal die Dauer der einzelnen Beauftragungen ansehen. Im besten Fall haben Freelancer nebeneinander mehrere Auftraggeber, was auch das unternehmerische Auftreten am Markt als Merkmal der Selbstständigkeit untermauert. In der Beratung muss man sich den Einzelfall gesondert anschauen.
Wenn ein IT-Projekt 5 oder mehr Jahre dauert und sonst alle Kriterien für die Selbstständigkeit passen. Ist das ein Problem?
Diese Frage bezieht sich wieder auf die Frage der Scheinselbständigkeit an sich (heißt ist der Auftragnehmer selbständig oder nicht) und damit nicht auf die Frage, ob ein Selbständiger selbst gem. § 2 SGB VI rentenversicherungspflichtig ist.
In unserem Whitepaper „Risiko Scheinselbstständigkeit – Schritt für Schritt zu mehr Rechtssicherheit für Freelancer“ gehen wir detailliert auf einzelne Kriterien, Folgen und mehr ein.
In Sachen Scheinselbstständigkeit muss man alle Kriterien wie eine Art Mosaik im Gesamtbild betrachten. Ein Merkmal, wie z. B. die Projektdauer, wird das Vertragsverhältnis nicht allein “ins Verderben stürzen”. Der Freelancer sollte aber während der längeren Projektdauer weitere parallele Aufträge haben. Fehlen diese, kann die DRV argumentieren, dass schon das belastbare unternehmerische Auftreten am Markt fehlt.
Wenn man gerade erst startet, finde ich es schwer mit mehreren Auftraggebern. Gibt es da „Kulanz“?
Im Hinblick auf die “belastbare unternehmerische Auftreten am Markt” durch die Tätigkeit für mehrere Auftraggeber, gibt es leider keinen Welpenschutz. Freelancer sollten sich bewusst sein, dass sie selbst rentenversicherungspflichtig sein können, wenn sie auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind und keine eigenen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen (§ 2 Abs. 9 SGB VI).
Es gibt jedoch die Möglichkeit, sich von der Pflicht in den ersten drei Jahren der Selbstständigkeit befreien zu lassen. Innerhalb von drei Monaten ab Aufnahme der Tätigkeit gilt die Befreiung rückwirkend, ansonsten greift die Wirkung erst mit Eingang des Befreiungsantrags. Das kann besonders zum Start eine finanzielle Entlastung darstellen.
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Ab wann wird eine „betriebliche Eingliederung“ angenommen? Wenn ich als Projektleiter interne Mitarbeiter zu einem Meeting einlade und Aufgaben verteile, ist es dann schon eine „Eingliederung“?
Organisatorische Eingliederung bedeutet, dass das Zahnrad des Selbstständigen in die Zahnräder der Auftraggeber-Organisation greift. Besteht die Hauptaufgabe des Auftrags nun darin, zu organisieren und Aufgaben zu delegieren, könnte eine organisatorische Eingliederung durchaus angenommen werden.
Sind die Kriterien alle gleichwertig oder gibt es Kriterien, die besonders stark ins Gewicht fallen?
Während im Arbeitsrecht die Weisungsgebundenheit im Vordergrund steht, ist die organisatorische Eingliederung im Sozialrecht ein besonders gewichtiges Merkmal. Gibt es eine Weisungsgebundenheit, ist das schlecht. Fehlt sie, wird das Argument meist “weggefegt”. Leider muss man auch sagen, dass die untergeordneten Kriterien je nach Tätigkeit unterschiedlich gewichtet werden.
Warum ist es von Nachteil, die Tätigkeitsnachweise möglichst detailliert zu beschreiben? Was darf nicht dort drin stehen?
Je genauer der Tätigkeitsnachweis ausfällt, desto mehr gleicht das der Berichtspflicht, die ein Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber hat. Dadurch wird für die Deutsche Rentenversicherung auch klarer, welche Tätigkeiten der Freelancer ausgeübt hat. Zum Beispiel könnte die Teilnahme am Team-Call darin dokumentiert sein. Die DRV könnte nun argumentieren, dass eine Integration ins Team stattfand. Auf solche Formulierungen sollte geachtet werden, denn dabei handelt es sich um “Reizworte”.
Wenn ich freiberuflich für das Unternehmen arbeite, bei dem ich vormals fest angestellt war, wie Risiko-behaftet ist dies?
Bis 2003 gab es in § 7 SGB IV noch einen Kriterienkatalog. Waren drei von fünf Kriterien erfüllt, wurde eine abhängige Beschäftigung vermutet. Ein Kriterium war die vorherige Beschäftigung des Selbstständigen beim Auftraggeber. Obwohl es den Kriterienkatalog nicht mehr gibt, wird die Frage nach der vorherigen Anstellung auch heute noch im Clearingverfahren abgefragt.
Es gibt jedoch Fälle, die es trotzdem mit positivem Ergebnis durch das Clearingverfahren geschafft haben. Ausschlaggebend war, dass sich die Tätigkeit des Freelancers von der vorherigen Festanstellung unterschieden hatte. Zum Beispiel ist es möglich, wenn man zuvor als Social Media Manager angestellt war und nun als Data Scientist oder Programmierer für den ehemaligen Arbeitgeber auf selbstständiger Basis tätig wird. Macht man hingegen ähnliche Tätigkeiten, vermutet die DRV schnell eine Scheinselbstständigkeit.
Wäre es nicht eine clevere Lösung nur einen mündlichen Vertrag zu schließen?
Ein mündlicher Vertrag ist zwar besser als ein schlechter schriftlicher Vertrag. Allerdings schafft nur ein guter schriftlicher Vertrag eine solide Ausgangsbasis. Denn: Mit einem mündlichen Vertrag lassen sich die vertraglichen Abreden nicht gut nachweisen. Etwa, ob die geschuldete Tätigkeit hinreichend definiert war oder Anhaltspunkte für die Selbstständigkeit gegeben waren.
Wie lange rückwirkend kann denn Status der Selbstständigkeit aberkannt werden?
Auftragsverhältnisse können rückwirkend ad ultimo – also immer – als scheinselbstständig eingestuft werden. Die Frage ist eher, wie lange rückwirkend Beiträge nachgezahlt werden müssen. Die Verjährung beginnt am Ende des Jahres, in dem die Beiträge eigentlich monatlich fällig gewesen wären.
Im Rahmen der Regelverjährung kommen vier Jahre hinzu. Dadurch erstreckt sich die rückwirkende Beitragspflicht auf höchstens fünf Jahre. Wird jedoch bedingter Vorsatz angenommen, verlängert sich die Frist auf dreißig Jahre.
Thema Agile Arbeitsformen: helfen kreative Abrechnungsformen für agile Arbeitsweisen? Wie z.B. „Pay per Sprint“. Also quasi Mini-Gewerk im x-Wochentakt und nach Vertrag keine Weisungen während der Sprints?
Man muss ganz klar sagen, dass die DRV agile Arbeitsmethoden als Anzeichen einer organisatorischen Eingliederung ansieht. Zwar gibt es einige wenige erst- und zweitinstanzliche Urteile zum Thema Scrum, die eine selbständige Tätigkeit bestätigt haben, aber das ist noch nicht durch das BSG abgesegnet.
